Feuerwehr Mitte – Die legendäre Drehleiter DL 17 wurde vor 70 Jahren in Betrieb genommen

BENSHEIM. Es sollte ein dreitägiges Fest mit Feuerwehr-Oldtimerfreunden aus ganz Europa werden. Vom 4. bis 6. Juni sollte sich der Festplatz am Berliner Ring in Bensheim in eine rote Ausstellungsfläche mit einem Festzelt verwandeln. Geplant war eine Oldtimerrallye durch das Ried und den Odenwald, eine Ausstellung in der Innenstadt und Livemusik im Festzelt.

Der Grund für den Aufwand sollte der 70-jährige Geburtstag der Drehleiter DL 17 sowie das 25-jährige Bestehen der dazu gehörende Oldtimergruppe Bensheim-Mitte sein. „Wie wir alle wissen, sind solche Veranstaltungen momentan nicht durchführbar“, schreibt die Feuerwehr Bensheim-Mitte in einer Pressemitteilung und so sah sich der Vorstand gezwungen, das Fest Ende 2020 abzusagen. Alle Verantwortlichen bedauern dies sehr, zumal die Vorbereitungen bereits vier Jahre in Anspruch genommen haben. Man wird sehen, wann die Veranstaltung nachgeholt werden kann.

Hier nun ein kleiner Rückblick über die Geschichte des einmaligen Einsatzfahrzeuges und der Oldtimergruppe des Stützpunkts Bensheim-Mitte:

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bensheimer Feuerwehr erst richtig motorisiert. Schon früh erkannten die Verantwortlichen, dass man ein Drehleiterfahrzeug benötigte, um die Schlagkraft der Wehr zu erhöhen. Die finanziellen Mittel hierfür wurden beim 90-jährigen Jubiläum am 31. August 1947 in Form von 50.000 Reichsmark eingenommen. Bei der Währungsreform ging das Geld aber leider am Tage X wieder verloren.

An der Spitze zwei Meter zusätzlich

Der Vorstand unter dem damaligen Kommandanten Karl Roth ließ sich dennoch nicht entmutigen. Durch die tatkräftige Unterstützung der Bensheimer Bürger sowie Zuschüsse der Stadt Bensheim und der Brandversicherungskammer, konnte 1951 bei der Firma Carl Metz in Karlsruhe eine Drehleiter (DL17) auf Mercedes-Benz Fahrgestell bestellt werden.

Am 15. Juli 1951 konnte daraufhin die motorisierte Leiter, verbunden mit der neuen Feuerwache in der Rodensteinstraße (ehemalige DRK-Unterkunft, jetzt Neubau „Betreutes Wohnen“ gegenüber dem Hospital), der Feuerwehr Bensheim übergeben werden. Das Fahrzeug verfügte über eine handbetätigte Drehleiter mit 17 Meter Steighöhe. Zwei Meter konnten an der Spitze noch zusätzlich ausgezogen werden.

Um den Einsatzwert zu steigern, wurde eine Vorbaupumpe mit 800 Liter Leistung pro Minute angebaut. Außerdem wurden alle Ausrüstungsgegenstände verlastet, um einen Löschangriff vornehmen zu können. Es war die erste Drehleiter im Kreis Bergstraße – und das sollte noch lange so bleiben.

Als 1957 das 100-jährige Bestehen der Bensheimer Feuerwehr gefeiert werden konnte, war die Drehleiter bereits auf maschinellen Antrieb umgerüstet. Aus- und Einfahren sowie Heben und Senken erfolgte nun einfach per Handgriff, aufwendiges Kurbeln konnte entfallen. Für die Rettung von verletzten Personen aus Höhen wurde eine Art Schleifkorbtrage gebaut, die im Leitersatz mitgeführt wurde. Das Fahrzeug bewährte sich bei etlichen Einsätzen in und um Bensheim.

1970 kam dann der Nachfolger, eine DL30h, Drehleiter mit 30 Meter Steighöhe. Alle Bewegungen waren hydraulisch realisiert. Doch auch jetzt blieb die „kleine Leiter“ noch im Einsatz, da sie in der engen Innenstadt unschlagbar war. Erst der technische Prüfdienst beendete die Ära DL17 und nahm das Fahrzeug 1990 nach 39 Jahren außer Dienst, für eine Drehleiter eine beachtliche Zeit. Es spricht für die unverwüstliche Qualität und Technik.

Der letzte Einsatz wurde bei der Abschlussübung 1990 an der Sparkasse in der Stadtmitte absolviert. Die Besatzung trug Trauerflor und sogar eine Todesanzeige wurde im Bergsträßer Anzeiger veröffentlicht. Danach parkte die Leiter in der hintersten Ecke im Feuerwehr Stützpunkt in der Robert-Bosch-Straße und geriet in Vergessenheit. Angebote an Museen verliefen im Sand, es hatte niemand Interesse an dem Oldtimer.

25 Jahre Oldtimer-Gruppe

Des Öfteren ließen sich in der Folge Fotografen im Feuerwehrstützpunkt blicken und lichteten die Drehleiter ab. In Fachbüchern war das Fahrzeug oft abgebildet und erwähnt. Erst jetzt erkannte man, dass es sich hier um ein absolutes Einzelstück handelt, das in dieser Form nur einmal gebaut wurde. Auch der maschinelle Antrieb ist bei Drehleitern dieser Größe recht ungewöhnlich.

Zwei ähnliche Leitern wurden damals nach Berlin ausgeliefert, aber ohne Vorbaupumpe wie bei der Leiter aus Bensheim. Ob diese Fahrzeuge heute noch existieren, ist nicht bekannt.

Es dauerte noch bis 1996, bis sich einige Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Bensheim-Mitte zusammen fanden, um die Drehleiter wieder in den Zustand von Anfang der 1950er Jahre zu bringen. Dies war der Gründungszeitpunkt der Oldtimergruppe, die zunächst von Wolfgang Seitz und später von Markus Fendrich geleitet wurde und aktuell noch wird. Die Arbeiten waren für alle Neuland und verlangten viel handwerkliches Geschick. Der Tacho zeigte zu dieser Zeit gerade mal 21000 Kilometer an.

Der gute Zustand der Technik kam den Arbeiten sehr zugute, es gab an keiner Stelle Rost. Das Fahrzeug wurde komplett zerlegt, alle Teile gereinigt, entlackt, grundiert und mit der originalen dunkelroten Farbe „RAL 3003“ lackiert. Die Kotflügel und Stoßstangen erhielten wieder die damalige schwarze Farbe. Alte Anbauteile wie Winker und Kugelwecker waren noch vorhanden und mussten nur angeschlossen werden.

Bei Schleifarbeiten an den Türen erkannte man insgesamt drei Stadtwappen, die im Laufe der Zeit angepasst wurden. Das erste von 1951 schmückt das Fahrzeug auch heute wieder. Es wurde wie zur damaligen Zeit mit der Hand aufgebracht und kostete vier Arbeitstage. Alle Verschleißteile und Öle wurden getauscht, auch neue Reifen kamen hinzu. Nach zwei Jahren konnte die Endmontage abgeschlossen werden und das Fahrzeug erstrahlte im neuen Glanz.

Nun waren auch die größten Kritiker überzeugt. Im September 1998 besuchte man das erste Oldtimertreffen für historische Kraftfahrzeuge im Mercedes-Benz Werk in Gaggenau. Bis heute wurden über 50 Oldtimertreffen in und um Deutschland besucht. Herauszuheben ist hier das Internationale Drehleitertreffen in Memmingen 2004 sowie das 150-jährige Bestehen der Bensheimer Partnerfeuerwehr in Riva del Garda 2015 in Italien. Die damals 64 Jahre alte Leiter schaffte die 1800 Kilometer über die Alpen störungsfrei. Bei allen Veranstaltungen hat man immer wieder Gleichgesinnte kennengelernt, die gerne auch nach Bensheim gekommen wären.

„Wir hoffen, die Veranstaltung nachholen zu können“, heißt es vonseiten der Feuerwehr. Bis dahin wird eine kleine Ausstellung über die Oldtimergruppe und das Fahrzeug im Bensheimer Stützpunkt in der Robert-Bosch-Straße eingerichtet. red

 

© Bergsträßer Anzeiger, Dienstag, 19.06.2021

© Bild: Feuerwehr Bensheim (Am 15. Juli 1951 wurde die Drehleiter (DL 17) der Feuerwehr Bensheim-Mitte übergeben, die handbetätigte Drehleiter wurde auf ein Mercedes-Benz-Fahrgestell montiert. Heute wird das Fahrzeug von der Oldtimer-Gruppe gepflegt.)

Originalbericht: https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-beim-letzten-einsatz-trug-die-besatzung-trauerflor-_arid,1811496.html